Boris Koch im Interview

Ein- bis zweimal im Jahr finden im Ideenreich Workshops und Seminare zum Thema "professionelles Schreiben" mit unserem bewährten Dozenten-Team statt. Heute stellen wir Boris Koch ein paar Fragen zu diesem Thema:

 

 

 

 

 

Das Ideenreich-Team fragt Boris Koch:

Du hast Romane in unterschiedlichen Genres veröffentlicht und schreibst derzeit hauptsächlich Jugendliteratur, denkst du, man sollte sich in mehreren Genres ausprobieren, um das passende zu finden? Oder sollte man das schreiben, was man gerne liest?

 

Boris: Ich denke, man sollte schreiben, was man gern schreibt. Da mag es zwar Überschneidungen mit der bevorzugten Lektüre geben, aber man liest Bücher ja auch, um andere Erfahrungen, andere Sichtweisen, andere Fantasien, usw. zu erfahren – und aus anderen Sichtweisen kann man schlecht schreiben … 

Entsprechend würde ich auch nicht vom Ausprobieren unterschiedlicher Genres sprechen. Ich teste vielleicht unterschiedliche Stile und Erzählweisen, Perspektiven und Zeiten aus, aber ich schreibe keine Geschichte, um ein bestimmtes Genre auszuprobieren. Ich schreibe eine bestimmte Geschichte, weil ich genau diese Geschichte schreiben will. Jede Geschichte sollte für sich bestehen können.

Wenn man sein Schreiben über die Jahre hinweg verbessert, dann hilft einem das genreunabhängig überall, in der Fantasy ebenso wie im Krimi, im Jugendbuch wie in der Gegenwartsliteratur. Figuren und ihre Motive müssen schließlich überall glaubwürdig sein, Sprache und Aufbau überzeugend.

Um noch einmal auf das Lesen zurückzukommen: Dreht man deine Frage um, stimmt es für mich. Denn sobald man in einem bestimmten Genre schreibt, sollte man auch ein paar aktuelle Titel aus diesem Genre lesen, um einen Überblick zu haben, was andere so tun. Nicht, um irgendwen zu kopieren, aber um zu wissen, auf welchem Stand ein Genre ist. Ideen, die vor zwanzig, dreißig Jahren originell waren, sind es heute nicht unbedingt noch. Wenn sie gut sind, sind sie es immer noch wert, erzählt zu werden, aber man muss sie heute vielleicht anders erzählen als 1993. Und inspirierend ist das Lesen ja allemal … 

 

Ist das auch einer der Aspekte, die du in den Workshops und Seminaren den Teilnehmern / -innen mit auf den Weg geben möchtest?

Wenn ich jemanden darin bestärken kann, das zu schreiben, was er schreiben will, dann freut mich das immer. Aber eigentlich habe ich keine direkte Agenda, was ich den Teilnehmern mit auf den Weg geben möchte. Natürlich möchte ich möglichst viel von meiner Erfahrung und meinem Wissen weitergeben, aber was davon nützlich ist, hängt ja von den jeweiligen Teilnehmern ab.

Wenn jemand schon seit Jahren genau das schreibt, was er schreiben will, aber mit dem Weltenbau oder den Figuren nicht so voran kommt oder sich bei der Perspektive unsicher ist, dann hoffe ich, dass wir ihm in diesen Bereichen weiterhelfen können.

Und wenn ein Liebhaber der humorvollen gereimten Horrorballade jetzt ganz nüchtern einen Krimi schreiben will, weil Krimis erfolgreicher sind, dann will ich ihn nicht zwanghaft überzeugen, zu seiner literarischen Liebe zurückzukehren. Es geht ja nicht darum, meine Vorstellungen durchzudrücken oder zu missionieren – wir Dozenten sind da, um zu helfen, um Wissen zu vermitteln und um zu motivieren. 

 

Boris Koch und Sina Beerwald, Workshop 2018
Boris Koch und Sina Beerwald, Workshop 2018

 

 

Hattest du selbst während der Dozententätigkeit einen Aha-Moment, der deinen eigenen Schreibprozess verändert hat?

 

Aha-Moment wäre zu viel gesagt, aber natürlich ist jede Form von Beschäftigung mit Literatur und ganz konkret dem Schreibprozess inspirierend. Überraschende Fragen, die Gespräche am Abend auf der Terrasse oder auch die Ausführungen der Kollegen, das alles kann sich auf aktuelle Projekte auswirken, die ich im Kopf mit mir herumschleppe. Plötzlich wird mir klar, dass ich eine bestimmte Figur noch ausbauen muss, oder ich habe eine Eingebung für eine neue erste Szene.

Gerade andere Sichtweisen auf das Schreiben sind wichtig, um die eigene Herangehensweise zu hinterfragen oder ihr neue Facetten hinzuzufügen. Schreiben soll für mich keine Routine sein, sondern immer wieder herausfordernd, und dabei ist das Seminar immer wieder hilfreich, inspirierend und motivierend.

 

 

Markus Heitz hat diese Frage für dich:

Boris, wenn Du eine Insel wärst… nein. Wenn Du alleine auf einer Insel… auch zu bekannt. Jetzt habe ich es: Angenommen, Du hättest eine Insel und Ruderboot und Tiere, die sich gegenseitig fressen und einen Kohlkopf…  Mh. Nee. 

Aber Kohlkopf erinnert mich an einen Fußball. Ha! Wo siehst Du, als bekennender Fußballfan, die Verbindung zwischen der Begeisterung für mitunter bei Dir sehr anspruchsvoller Literatur und dem runden Leder?

Jetzt bin ich gespannt … 

 

Ich finde die Verbindung vollkommen naheliegend bei einem Sport, der so große Lyrik hervorgebracht hat wie:

Kein Mensch, kein Tier,

die Nummer Vier.

Alternativ könnte ich – ganz klassisch – auf Albert Camus hinweisen, der kein schlechter Torwart war, oder den einen oder anderen weiteren Namen aufzählen. Oder ich könnte über das große Drama sprechen, das sich hier wie da finden lässt, Tragik, Glück, schlampige Genies oder einfach die Schönheit mancher Tore mit perfekt geschriebenen Szenen vergleichen.

Aber das wäre ziemlich bemüht und ein Ausweichen. Denn im Kern geht es vielleicht darum, dass es gar nicht zusammen passt. Dass die Welten sich eben nicht berühren. Wenn ich auf dem Platz stehe, denke ich nicht an Literatur – weder an anspruchsvolle noch an meine eigene … Und wenn ich schreibe, taucht Fußball zwar immer wieder auf, aber meist nur am Rande.

Ich habe mit sechs Lesen gelernt, und bin mit sechs in den Fußballverein. Es war quasi beides immer da, das Unmittelbare und Körperliche des Fußballs, die Zusammengehörigkeit als Mannschaft auf der einen, und das Reflektierte, das Intime und das Geistige der Literatur.

Und egal, wie das jeweilige Drumherum manchmal ist, im Kern bleibt ein wunderschöner, einfacher Sport. Du brauchst nur einen Ball und irgendwas, das du zum Tor erklären kannst. Du kannst auf Beton spielen, auf Rasen, am Strand, überall. Und so ist es mit der Literatur auch. Du brauchst nur Stift und Papier und kannst schreiben – keine Kamera, kein Aufnahmegerät, kein Tonstudio. Beides kommt mit den geringsten Mitteln aus, und kann daraus Wunderschönes und Komplexes schaffen. Die Leichtigkeit und Eleganz von Zidanes Spiel konnte mich ebenso begeistern und Staunen lassen wie die Selbstverständlichkeit, mit der Eco etwa im Namen der Rose Philosophisches mit Krimi und apokalyptischer Atmosphäre verbindet. 

Und danke für die Frage. Sonst werde ich im Namen der Widersprüchlichkeit meist gefragt, wo die Verbindung zwischen meinen Horrorgeschichten und den Kinderbüchern ist. Aber ich vermute mal, solche Fragen kennst du selbst … 

 

Welche Frage hast du für Sina Beerwald vorbereitet?

Wie sehr beeinflusst eine Region dein Schreiben? Soweit ich das überblicke, spielen alle deine Gegenwartsromane auf Sylt oder in Stuttgart, also deinem gegenwärtigen und deinem ehemaligen Wohnort. Das Ganze kumuliert in KRABBENCOCKTAIL, wo ein schwäbisches Rentnerehepaar auf Sylt landet. Deine früheren vier historischen Romane spielen dagegen alle weder in Stuttgart noch auf Sylt. Absicht oder Zufall?

 

Informationen zu Boris Kochs Veröffentlichungen finden Sie hier:

http://boriskoch.de

Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie hier: Workshops und Seminare

 

Sina Beerwalds Interview: hier

Thomas Finns Interview: hier

Markus Heitz' Interview: hier

 

Alle Dozenten, ein paar Teilnehmer/-innen und das Ideenreich-Team in bewegten Bildern:

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